BAG-Urteil vom 03.04.2025 - 2 AZR 156/24 -

Nachträgliche Klagezulassung bei unerkannter Schwangerschaft

Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Nr. 1 Mutterschutzgesetz: Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen

23. Juni 2025

Möchte ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, muss er/sie gemäß § 4 S. 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage einlegen. Allerdings ist eine Klage auf Antrag einer Arbeitnehmerin gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG auch dann zuzulassen, wenn Sie aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Fristablauf von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt hat.

So auch der Sachverhalt in der aktuellen BAG Entscheidung aus April 2025: der Klägerin ging am 14.05.2022 die ordentliche Kündigung ihres damaligen Arbeitgebers zu. Nachdem sie am 29.05.2022 einen Schwangerschaftstest mit einem positiven Ergebnis durchführte, bemühte sie sich sofort um einen Termin beim Frauenarzt, den sie jedoch erst für den 17.06.2022 erhielt. Am 13.06.2022 reichte sie Kündigungsschutzklage samt Antrag um nachträgliche Zulassung vor dem Arbeitsgericht Dresden ein. In der darauffolgenden Woche reichte sie zudem ein ärztliches Zeugnis ein, welches eine bei ihr am 17.06.2022 festgestellte Schwangerschaft bestätigte. Ausweislich des Mutterpasses war von einem Beginn der Schwangerschaft am 28.04.2022, also über drei Wochen vor Zugang der Kündigung, auszugehen.

„Positive Kenntnis vom Bestehen einer Schwangerschaft (…) wird die Arbeitnehmerin regelmäßig erst aufgrund des entsprechenden Ergebnisses einer ärztlichen Untersuchung haben.“[1]

Die Beklagte war der Auffassung, dass die Klägerin aufgrund des positiven Tests vom 29.05.2022 binnen der dreiwöchigen Frist des § 4 S. 1 KSchG Kenntnis von der Schwangerschaft erlangte und § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG somit nicht einschlägig sei. Anderer Auffassung war jedoch der 2. Senat des BAG. Aufgrund des Verstoßes gegen das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG sei die Kündigung unwirksam. Da die Klägerin aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst am 17.06.2022 Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangte, sei ihre verspätete Klage gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG nachträglich zuzulassen. Der selbstständig durchgeführte Test habe ihr jedenfalls keine Kenntnis von der Schwangerschaft vermittelt.

 

Schutzzweck des § 17 MuSchG erfüllt?

§ 17 MuSchG soll die Gesundheit von Mutter und Kind vor seelischen Zusatzbelastungen durch einen Kündigungsprozess schützen.[2] Dass dieser Zweck vorliegend aufgrund des fast dreijährigen Verfahrens in drei Instanzen nicht erfüllt werden konnte zeigt die Bedeutsamkeit einer klaren Linie des BAG, die für die Zukunft hoffen lässt. Andererseits erfüllte § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG seinen Zweck, individuelle Härten auszugleichen,[3] lehrbuchartig. Aus Arbeitgeberperspektive lässt sich die Lehre ziehen, dass es sich stets lohnt Kündigung und Kommunikation mit der Arbeitnehmerin zu protokollieren. Ferner müssen sie darauf vorbereitet sein, dass eine verspätete Schwangerschaftsmitteilung trotzdem wirksam sein kann.

[1] BAG 3.4.2025 – 2 AZR 156/24, NZA 2025, 700 Rn. 25.

[2] ErfK/Schlachter, MuSchG § 17 Rn. 1.

[3] ErfK/Kiel, KSchG § 5 Rn. 6.