§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG

Kein Lohnanspruch bei Arbeitsunfähigkeit

Wann ein Arbeitnehmer seine Krankheit selbst verschuldet

27. Mai 2025

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung eines Arbeitnehmers, wenn er die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit selbst zu verschulden hat. Doch für welche Fälle gilt das eigentlich?

Grundsätzlich findet im Schuldrecht der Verschuldensbegriff des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB Anwendung. Da es sich bei dem Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG um ein Verschulden „gegen sich selbst“ handelt. Das bedeutet, dass das Verhalten eines Arbeitnehmers schuldhaft ist, wenn er im erheblichen Maße von dem Verhalten abweicht, das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse erwartet werden muss. Den Verschuldensbegriff des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG erfüllt also nur, wer sich besonders leichtfertig verhält oder gar vorsätzlich handelt.

Handbruch nach Wutanfall, Tattoo-Entzündung, Drachenfliegen und Kickboxen: der Verschuldensbegriff ist ambivalent

Nach einer Rüge vom Vorarbeiter verlor ein Warenabfüller aus Osthessen die Fassung und schlug mehrfach mit seiner Faust gegen ein Verkaufsschild, sodass seine Hand brach. Seine Arbeitgeberin wehrte sich gegen die Entgeltfortzahlung iHv. 2.662,52 Euro brutto während der einmonatigen Arbeitsunfähigkeit. Diese sei schließlich selbstverschuldet. Das LAG Hessen zeigte jedoch Verständnis für die Gemütslage des Arbeitnehmers. Ein solcher Kontrollverlust sei „menschlich nachvollziehbar“. Bei verständiger Betrachtung hätte er zwar merken müssen, dass er mit seinen Schlägen eine Verletzung riskiere, für grobe Fahrlässigkeit reiche das jedoch nicht aus.

Erst vor kurzem, im Mai 2025, bestätigte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, dass ein Arbeitgeber seiner Arbeitnehmerin zu Recht die Entgeltfortzahlung verweigerte, nachdem sie wegen einer Entzündung ihres neuen Tattoos mehrere Tage arbeitsunfähig ausfiel. Während die Pflegehilfskraft argumentierte, dass das Stechen des Tattoos und die daraus resultierende Entzündung zu trennen seien, weil das Entzündungsrisiko bei lediglich fünf Prozent läge, bejahte das LAG ein Verschulden. Dabei bezog es sich auf den Maßstab bei Nebenwirkungen von Medikamenten. Diese würde als „häufig“ eingestuft werden, wenn sie bei mehr als einem Prozent ab weniger als zehn Fällen auftreten. Dies würde zeigen, dass die Klägerin mit einer Entzündung hätte rechnen müssen.

Als ein Freizeit-Drachenflieger sich bei seinem Hobby einen Unterschenkelbruch zuzog und für über sechs Wochen arbeitsunfähig ausfiel, verweigerte sein Arbeitgeber die Lohnfortzahlung. Nachdem die Krankenkasse das von ihr gezahlte Krankengeld vor Gericht einklagte, lehnte das BAG die Einteilung vom Drachenfliegen als besonders gefährliche Sportart ab. Ein Sport sei nur dann besonders gefährlich, wenn das Risiko einer Verletzung so groß ist, dass es sich nicht mal von einem ausgebildeten Sportler vermieden ließe. Dies sei beim Drachenfliegen nicht der Fall, bei dem die Quote schwerer Verletzungen bei 1:48 000 liegen.

Die Kampfsportart Kickboxen hingegen wurde vom Arbeitsgericht Hagen als besonders gefährlich eingestuft. Im damaligen Fall begründete eine Arbeitsunfähigkeit, die auf eine Kick-Box-Verletzung zurückzuführen ist, keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung.